Hier finden Sie weitere Informationen für Ihre Berichterstattung zu den Internationalen Stummfilmtagen.
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Das Programm 2023 (Arkadenhof der Uni Bonn und im Stream unter www.internationale-stummfilmtage.de)
Donnerstag, 10. August 2023, 21 Uhr: GROßSTADTSCHMETTERLING. BALLADE EINER LIEBE; Richard Eichberg, Deutschland / Großbritannien, 1929.
Live-Musik: Sabrina Zimmermann (Violine) & Mark Pogolski (Flügel)
Den Auftakt am 10. August macht das deutsch-britische Melodrama GROßSTADTSCHMETTERLING mit Anna May Wong in der Hauptrolle. Auf einem Wanderjahrmarkt wird eine Tänzerin fälschlicherweise des Mordes verdächtigt. Es folgt ein fesselnder Thriller über Liebe und Toleranz im Pariser Künstlermilieu.
Als der erste große Hollywood-Filmstar chinesischer Herkunft gilt Anna May Wong als Pionierin in der Stummfilmgeschichte. Im vergangenen Jahr wurde sie zur ersten asiatisch-amerikanischen Persönlichkeit, deren Antlitz auf einer Münze in den USA erschien. In ihrem letzten Stummfilm GROßSTADTSCHMETTERLING gab Anna May Wong eine ihrer stärksten Performances.
Die neue digitale Restaurierung unseres Festivalpartners, des DFF – Deutsches Filminstitut & Filmmuseum, geht auf das Originalnegativ aus dem Bundesarchiv zurück und erlebt bei den Stummfilmtagen in Bonn ihre Weltpremiere. Ebenfalls wird die Musik des Aljoscha Zimmermann Ensembles, Sabrina Zimmermann an der Violine und Mark Pogolski am Flügel, uraufgeführt.
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Freitag, 11. August 2023, 21 Uhr: THE MARRIAGE CIRCLE (DIE EHE IM KREISE); Ernst Lubitsch, USA, 1924
Live-Musik: Sabrina Zimmermann (Violine) & Mark Pogolski (Flügel)
Vielleicht wäre der treffendere deutsche Titel für diese charmante Verwechslungskomödie von Ernst Lubitsch »Der Ehekreisel« oder »Das Ehekarussell«. Denn der in Wien spielende Film über zwei Ehepaare ist ein Wirbel aus Intrigen, Untreue, Missverständnissen und – natürlich – der Liebe. Mizzi und Joseph Stock sind schon lange verheiratet und liegen ständig im Clinch. Er sucht nach einem guten Grund für die Scheidung, sie droht immer wieder damit, ihn zu verlassen und flirtet hemmungslos mit dem Mann ihrer besten Freundin Charlotte. Franz und Charlotte Braun hingegen sind glücklich verheiratet, doch die liebeswütige Mizzi und Franz‘ Kollege Gustav Müller stellen alles auf den Kopf.
THE MARRIAGE CIRCLE ist die zweite US-amerikanische Produktion des großen deutschen Regisseurs Ernst Lubitsch, der den Film als Lieblingsfilm unter seinen eigenen Werken bezeichnet haben soll. Er vereint die für Lubitsch typische Leichtigkeit mit punktgenauer Bildsprache. Dies lässt die beeindruckende schauspielerische Leistung der kleinen Besetzung strahlen, in deren Mittelpunkt Marie Prevost als Mizzi steht. Prevost hatte zuvor lange mit Mack Sennett gedreht; durch die Arbeit mit Lubitsch wurde sie zum gefeierten Hollywood-Star. 1932 verfilmte Lubitsch das Theaterstück Lothar Schmidts, auf dem THE MARRIAGE CIRCLE basiert, erneut als Tonfilm unter dem Titel ONE HOUR WITH YOU (EINE STUNDE MIT DIR). Die zweite amerikanische Produktion von Lubitsch wird in einer neuen digitalen Restaurierung des New Yorker Museum of Modern Art und mit Musikbegleitung des Aljoscha Zimmermann-Ensembles in Bonn zu erleben sein.
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Freitag, 11. August 2023, 23 Uhr: L’INVITATION AU VOYAGE (DIE EINLADUNG ZUR REISE); Germaine Dulac, Frankreich, 1927
Live-Musik: Cellophon – Paul Rittel & Tobias Stutz (Cello Duo)
Eine junge Frau, die mit ihrem bürgerlichen Leben unzufrieden ist, besucht eines Abends eine Bar, wo sie von einem Marineoffizier umworben wird. Sie beginnt von einem anderen Leben zu träumen, doch als der Seemann bemerkt, dass sie verheiratet und Mutter ist, wendet er sich von ihr ab. Die junge Frau muss erkennen, dass ihr Bild eines anderen, abenteuerlicheren Lebens nur eine Reverie war und sie kehrt in die Realität ihres normalen Lebens zurück.
Im Jahr 1927 verwandelte die französische Avantgarde-Regisseurin Germaine Dulac ein Gedicht Charles Baudelaires in ein experimentelles, poetisches Filmwerk, das ganz ohne Zwischentitel auskommt. Dulac, die nicht nur als eine der bedeutendsten Filmemacherinnen der französischen Filmgeschichte, sondern auch als einflussreiche Filmtheoretikerin und Feministin gilt, verfolgte in vielen ihrer Filme und theoretischen Schriften das Ziel einer reinen Filmsprache, eines »cinéma pure« – frei von narrativen Formen und Einflüssen aus Literatur und Theater. L’INVITATION AU VOYAGE entstand ein Jahr vor Dulacs wohl bekanntestem Film LA COQUILLE ET LE CLERGYMAN (DIE MUSCHEL UND DER KLERIKER, 1928), der häufig als erster surrealistischer Film und als eines der wichtigsten Schlüsselwerke der Filmavantgarde bezeichnet wird. Wir zeigen eine 35mm-Filmkopie des EYE Filmmuseums. Die Restaurierung wurde 1998 auf Grundlage des Originalnegativs aus der Sammlung der Cinémathèque française durchgeführt.
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Samstag, 12. August 2023, 21 Uhr: THE FLYING ACE (DAS FLIEGERASS); Richard E. Norman , USA, 1926
Live-Musik: Elaine Loebenstein (Flügel)
Captain Billy Stokes, genannt »Das Fliegerass«, der für seine Verdienste als Pilot im Ersten Weltkrieg ausgezeichnet wurde, kehrt in seine Heimat zurück, um den alten Job bei der Eisenbahngesellschaft wieder aufzunehmen. Doch als er ankommt, gerät er mitten in einen Kriminalfall: der Zahlmeister der Eisenbahngesellschaft ist verschwunden und aus der Kasse fehlen $25.000. Nun muss Stokes den Fall lösen, bevor die Täter ihm entwischen. Dabei wird er von seinem Flugzeugmechaniker »Peg« unterstützt, der im Krieg ein Bein verloren hat. Eine mit wenigen Mitteln produzierte, überaus unterhaltsame Detektivgeschichte, die uns heute eine weniger bekannte Seite der US-amerikanischen Filmgeschichte zeigt.
In den 1920er Jahren, als in den USA noch die Jim-Crow-Gesetze galten, entstand parallel zu Hollywood eine alternative Filmindustrie, die sich an ein afroamerikanisches Publikum richtete. Federführend auf diesem Gebiet war die Norman Film Manufacturing Company des Produzenten und Regisseurs Richard E. Norman. Zwischen 1920 und 1928 produzierte Norman eine Reihe von Unterhaltungsfilmen mit ausschließlich afroamerikanischer Besetzung. Von den acht Filmen ist heute nur ein einziger – THE FLYING ACE – vollständig überliefert. Ein mit Orden ausgezeichneter afroamerikanischer Kriegspilot war Mitte der 1920er Jahre noch eine Fiktion, denn erst 1940 durften Afroamerikaner im Fliegerkorps der US-Armee dienen. Billy Stokes, das titelgebende Fliegerass des Films, kann daher als Vorbild gesehen werden. 2021 wurde THE FLYING ACE auf Grund seiner kulturhistorischen Relevanz in das United States National Film Registry aufgenommen.
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Samstag, 12. August 2023, 22.30 Uhr: L’AUTRE AILE (DER ANDERE FLÜGEL); Richard E. Norman , Frankreich, 1924
Live-Musik: Meg Morley (Flügel)
L’AUTRE AILE erzählt die Geschichte von Hélène Tarnière, die ihren Geliebten – den gefeierten Piloten Raymat – bei einem Flugzeugunglück verliert. Um ihren Schmerz zu verarbeiten, beschließt sie, in Folge selbst Pilotin zu werden – und dringt somit als moderne Frau der Tat in eine Männerdomäne vor.
Henri Andréanis Verfilmung des gleichnamigen Romans von Ricciotto Canudo verbindet die Geschichte einer Heldin, die von der trauernden, schwachen Frau zur »femme moderne de l’action« wird, mit spektakulären Luftaufnahmen, wunderschönen Kostümen des Designers Paul Poiret und künstlerisch anspruchsvoll gestalteten Zwischentiteln. Andréani arbeitete mit bekannten Schauspieler:innen, die in diesem Film allerdings in für sie ungewöhnlichen Rollen zu sehen sind. So verkörpert zum Beispiel die Opern-Komödiantin Marthe Ferrare die Rolle der Hélène Tarnière und Jean Murat, der eher für seine Rollen als Bösewicht bekannt war, spielt den brillanten Piloten. Wir zeigen in Bonn eine restaurierte 35mm-Farbkopie der Cinémathèque française aus dem Jahr 2016, die auf dem Originalnegativ basiert und die ursprünglichen Viragen simuliert.
Die Vorstellung wird begleitet von der in London lebenden australischen Pianistin Meg Morley, die dieses Jahr zum ersten Mal bei den Stummfilmtagen auftreten wird.
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Sonntag, 13. August 2023, 11 Uhr, Rahmenprogramm im LVR-Landesmuseum Bonn: MACH MIT: STUMMFILME SELBST VERTONEN
In Kooperation mit DFF – Deutsches Filminstitut & Filmmuseum
Wie entsteht der Ton und die Musik für einen Stummfilm? Und welche Geräusche und Töne passen zu welchen Filmen und Szenen? Wie wirken Bild und Ton zusammen?
Gemeinsam werden wir diesen Fragen auf den Grund gehen und zusammen Stummfilme ansehen und vertonen. Dabei schlüpfen wir in die Rolle von Geräuschemacher*innen, so wie es diese auch vor mehr als 100 Jahren gab. Komm und mach mit! Eine Veranstaltung für jung und alt. Freier Eintritt.
Sonntag, 13. August 2023, 14 Uhr, Rahmenprogramm im LVR-LandesMuseum Bonn: SALAMANDRA (FALSCHMÜNZER); Grigorij Rošal’, UkrSSR, 1932
Live-Musik: Elaine Loebenstein (Flügel)
An der Universität in einer »altertümlichen Stadt, wo der Faschismus an der Macht ist« (so ein Zwischentitel) führt der Biologieprofessor Karl Zange bahnbrechende Vererbungsforschung an Salamandern durch. Zanges evolutionstheoretische Weltauffassung stößt gegen die Interessen der bürgerlichen Elite und der Kirche, die den Status quo und den konservativen Glauben an die gottgegebene erbliche Aristokratie bewahren wollen. Ein adliger Student, ein Jesuitenpater und ein dämonischer Baron schmieden daher den Plan, Zange zu diskreditieren. Nachdem dieser seinen Job, seinen Ruf, seine Frau und all sein Geld verloren hat, steht er kurz vor dem Selbstmord. Doch eine Einladung von unerwarteter Stelle bringt die Rettung.
Außenaufnahmen an Originalschauplätzen in Berlin, Erfurt, Leipzig und München verschmelzen in der Erzählung zu einer fiktiven deutschen Stadt. Das Drehbuch dieser ersten Koproduktion der linksorientierten Berliner Firma Prometheusfilm mit der sowjetischen Mežrabpomfil’m stammte aus der Hand des damaligen sowjetischen Volkskommissars für Aufklärung. Es ist daher nicht überraschend, dass der Film seinerzeit für eine große Kontroverse in Deutschland sorgte. Nachdem die konservative Presse ihn als »antideutschen Hetzfilm« angeprangert hatte, wurde SALAMANDRA von der Reichsfilmzensur schließlich verboten. Vor dem Hintergrund aktueller weltpolitischer Geschehnisse und gesellschaftlicher Entwicklungen, lädt der Film heute zu neuen Lesarten und Interpretationsansätzen ein. Der Präsentation der neuen digitalen Restaurierung des Bundesarchivs wird eine Einführung vorangestellt. Im Anschluss findet eine Diskussion mit dem anwesenden Publikum statt.
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Sonntag, 13. August 2023, 21 Uhr: GROTESKEN IM SCHNEE, Deutschland, 1928
Live-Musik: M-Cine – Dorothee Haddenbruch (Flügel) & Katharina Stashik (Saxophon)
Nachdem der graue Stadtregen in Schnee übergegangen ist, befinden wir uns zusammen mit einer Silhouettenfigur in den schneebedeckten Bergen. Unter dem Motto »Auf die Bretter« beginnt ein reines Wintersportvergnügen für jung und alt – von Skispringen über Eiskunstlauf und Bobfahren bis hin zu Bergtouren auf Skiern. Animationstechniken und dokumentarische Realfilmaufnahmen, in denen die Wintersportler vor weißem Schneehintergrund nicht selten selbst wie Silhouettenfiguren wirken, greifen ineinander, überlagern sich und verschmelzen zu einem filmischen Winterschneeerlebnis.
Animationsfilm-Pionierin und Experimentalfilmschaffende Lotte Reiniger, die vielen durch ihre Märchen-Scherenschnittfilme und DIE ABENTEUER DES PRINZEN ACHMED (1926) bekannt ist, arbeitete für diesen, für sie recht ungewöhnlichen Kurzfilm mit Alex Strasser zusammen. Die Animationssequenzen stammen von Reiniger, die Dokumentaraufnahmen von Strasser, der in den 1930er Jahren Anschluss bei der britischen Dokumentar- und Experimentalfilmszene fand. In Bonn ist GROTESKEN IM SCHNEE in einer neuen digitalen Restaurierung des DFF – Deutsches Filminstitut & Filmmuseum zu sehen, welche auf dem einzigen existierenden Material – einer 16mm-Kopie aus den Beständen des Bundesarchivs – beruht.
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Sonntag, 13. August 2023, 21.30 Uhr: POZDOROVLJAJU Z PERECHODOM (GRATULIERE ZUR VERSETZUNG); Jevheniї Hrihorovyč, UkrSSR, 1932
Live-Musik: Meg Morley (Flügel)
Ein ganz besonderes Highlight unseres diesjährigen Programms bildet die Vorführung des in der sowjetischen Ukraine entstandenen Kinderfilms GRATULIERE ZUR VERSETZUNG am Sonntag, den 13. August. Eine Gruppe von Schulkindern der 6. Klasse meistert ihren Alltag. Van’ka hat erfinderisches Talent, nur fällt ihm das Lernen schwer und er kommt im Unterricht nicht zurecht. Sein treuer Freund Aleša versucht, ihn in Schutz zu nehmen. Die neugierige und ehrgeizige Katja hält Van’ka für faul. Alle drei sind sie Mitglieder der Pioniergruppe ihrer Schule. Als Van’ka die Gruppe verlässt, um sich ganz auf den Unterricht und das Lernen zu konzentrieren, wird er von seinen Mitschüler:innen angefeindet. Auch Katja kämpft mit ihren eigenen Problemen, denn ihr großes Engagement in der Pioniergruppe hat negative Auswirkungen auf ihre schulischen Leistungen. Werden Van’ka und Katja das Schuljahr erfolgreich bestehen oder die 6. Klasse wiederholen müssen?
Die Regisseurin und Drehbuchautorin dieses charmanten Schülerfilms Їvha Hryhorovyč (1905-1978) war selbst Lehrerin, bevor sie sich Ende der 1920er Jahre dem Kino zuwandte. Als Filmemacherin war sie vor allem auf dem Gebiet des Kinder-, Lehr- und Propagandafilms tätig. Im Westen gilt Hryhorovyč heute als weitgehend unbekannt – und das obwohl sie bis in die 1970er Jahre aktiv war und 1954 selbst als Künstlerin der UkrSSR geehrt und für ihre Filmarbeit mit einer Verdienstmedaille ausgezeichnet wurde. In ihrem nun wieder zugänglichen Frühwerk GRATULIERE ZUR VERSETZUNG beweisen u.a. die lyrischen Bildkompositionen, die teilweise an das Werk Oleksandr Dovženkos erinnern, sowie die spielerische Kombination von Realaufnahmen und Animation ihr Talent als Filmemacherin. Die Produktion der in Odessa ansässigen Ukrainfil’m galt jahrzehntelang als verschollen. Die wohl einzige erhaltene Kopie des Films wurde 2023 vom Bundesarchiv im Rahmen eines Projekts zur Sicherung von seltenen Filmen aus ihrem Bestand mit ukrainischem Bezug digitalisiert. Die Vorstellung wird begleitet von der in London lebenden australischen Pianistin Meg Morley, die dieses Jahr zum ersten Mal bei den Stummfilmtagen auftreten wird.
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Montag, 14. August 2023, 21 Uhr: THE ADVENTURER (CHAPLIN DER STRÄFLING); Charles Chaplin, USA, 1917
Live-Musik: M-Cine (Flügel & Saxophon)
In THE ADVENTURER spielt Charlie Chaplin einen Strafgefangenen, der erfolgreich aus dem Gefängnis ausbricht. Die Flucht führt ihn am Meer entlang, wo Charlie eine wohlhabende junge Frau und ihre Mutter vor dem Ertrinken rettet. Durch sie gelingt es Charlie, sich unter der gesellschaftlichen Oberschicht zu verstecken – sehr zum Ärger des starken bärtigen Freunds der jungen Frau, der sich Charlies Flirts mit seiner Freundin nicht gefallen lässt. Durch eine Fahndungsanzeige wird Charlie enttarnt. Nun muss er versuchen, dem jähzornigen Freund und den Polizeibeamten zu entkommen.
THE ADVENTURER, der im November 1921 unter dem Titel CHAPLIN DER STRÄFLING in Deutschland herauskam, war der letzte von zwölf Kurzfilm-Komödien, die Charlie Chaplin 1916 und 1917 für die Firma Mutual hergestellt hatte. Chaplin bezeichnete diese Zeit als seine »glücklichsten Jahre« und die Filme, die er in diesen beiden Jahren realisierte, zählen zu seinen besten Arbeiten. Für die neue Restaurierung von THE ADVENTURER kombinierte das New Yorker Museum of Modern Art sieben unterschiedliche Materialien, um die vollständigste und qualitativ bestmögliche Fassung zu erzeugen.
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Montag, 14. August 2023, 21.30 Uhr: Fången n:r 53 (HÄFTLING NR. 53); Anthony Asquith, UK/Schweden, 1930
Live-Musik: Filmsirup – Matthias Kaufmann, Christian Carazo, Matthias André, Michi Hendricks (verschiedene Instrumente)
Sally arbeitet zusammen mit Joe in einem Frisörsalon in London, wo sie sich in den gutherzigen, bodenständigen Farmer Harry aus Dartmoor verliebt. Joe, der sein Herz an Sally verloren hat, folgt den beiden zu einem Date ins Kino. Als sich die beiden schließlich verloben, kann Joe seine Eifersucht nicht mehr in Zaum halten und nehmen die Ereignisse im Frisiersalon ihren Lauf…
FÅNGEN N:R 53 ist die schwedische Fassung des in britisch-schwedischer Koproduktion entstandenen Films A COTTAGE ON DARTMOOR des Regisseurs Anthony Asquith, der neben Alfred Hitchcock als wichtigster und bedeutendster britischer Stummfilmregisseur gilt. Entgegen der viel bekannteren britischen Version, die mit dem Gefängnisausbruch Joes als Rahmenerzählung beginnt und den Hauptteil als Rückblende einfügt, erzählt die schwedische Fassung die Ereignisse in chronologischer Reihenfolge. Zudem enthält die schwedische Fassung Aufnahmen, die in der britischen Version nicht vorkommen. Durch diese und weitere Unterschiede auf der Bild-, Texttafel- und Montageebene handelt es sich bei FÅNGEN N:R 53 um eine eigenständige Fassung des Films. Die viel zu selten gezeigte 35mm-Kopie, die in Bonn zu sehen ist, stammt aus den Beständen des Schwedischen Filminstituts.
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Dienstag, 15. August 2023, 21 Uhr: MED ACKJA OCH REN I INKA LÄNTAS VINTERLAND (MIT SCHLITTEN UND RENTIER IN INKA LÄNTAS WINTERLAND); Erik Bergström, Schweden, 1926
Live-Musik: Cellophon (Cello Duo)
In malerischen, schneebedeckten Wäldern vor der Kulisse einer hügeligen Berglandschaft lernen wir Inka Länta und ihre Familie kennen. Inka ist Rentierzüchterin und lebt einen harten Alltag in der winterlichen Landschaft. Auf dem Markt von Jokkmokk, dem Höhepunkt des Jahres, treffen Sami aus verschiedenen Gegenden zusammen. Als Läntas Bruder Amul verunglückt, ist die Zukunft Inkas ungewiss.
MED ACKJA OCH REN I INKA LÄNTAS VINTERLAND ist einer der frühesten abendfüllenden schwedischen Dokumentarfilme über das Leben der Sami. Die Handlung des im Februar 1926 entstandenen Films ist fiktiv, aber die Schauplätze sind real und die Personen treten unter ihren eigenen Namen auf. 1923 hatte die Svensk Filmindustri bereits einen Film über Inka Länta und ihre Brüder gedreht , der als Schulfilm großen Erfolg hatte. MED ACKJA OCH REN I INKA LÄNTAS VINTERLAND ist eine eigenständige Fortsetzung des früheren Films. Wie sein Vorgänger entstand er in Zusammenarbeit mit den Sami selbst, dem nomadischen Schulinspektor Erik Bergström und dem Kameramann Gustaf Boge. Wie in vielen Dokumentarfilmen werden authentische Filmaufnahmen mit dramatisierten Elementen vermischt, um Spannung zu erzeugen. Aber trotz seines Alters und der Außenseiterperspektive der Filmemacher, wird die Darstellung des samischen Volkes als relativ genau angesehen. 2021 führte das Schwedische Filminstitut eine umfassende digitale Restaurierung auf Grundlage des Originalnegativs durch, bei der auch die ursprünglichen Viragen in verschiedenen Farben wiederhergestellt werden konnten.
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Dienstag, 15. August 2023, 22.30 Uhr: Навесні (IM FRÜHLING); Michail Kaufman, UkrSSR, 1929
Live-Musik: Misha Kalinin (Gitarre) & Roksana Smirnova (Flügel)
Eine Stadtsinfonie über und eine Hommage an Kyїv und die unermüdliche Kraft ihre Bewohner:innen im Wandel der Jahreszeiten vom Winter in den Frühling. Erst liegt der Schnee dick, dann überflutet das Schmelzwasser die Stadt und die Bewohner:innen arbeiten hart, bevor sich Fenster öffnen, Kinder im Park spielen, der Frühjahrsputz beginnt und das Leben immer mehr auf den Straßen stattfindet. Während sich das Thema Frühling durch den gesamten Film zieht, zeigt er gleichzeitig das Entstehen einer modernen und industrialisierten Stadt, die sich durch ihre Fabriken und den Bausektor, ihre aktiven Bürger:innen und ihre jubelnden Maifeiern auszeichnet. Die dokumentarischen Aufnahmen enthalten viele ungewöhnliche Kameraperspektiven und verschmelzen mit experimentellen Film- und Montagetechniken, wie Split-Screen-Kompositionen, Mehrfachbelichtungen, Zeitraffer oder Rückwärtsbewegungen.
Der Regisseur des Films Michail Kaufman wirkte als MANN MIT DER KAMERA 1929 auch am gleichnamigen Film seines Bruders Dziga Vertov bzw. Denis Kaufman vor und hinter der Kamera mit. Die beiden Brüder hatten während der Dreharbeiten einige Meinungsverschiedenheiten, die zum Ende der Zusammenarbeit führten. Aufnahmen, die Michail Kaufman gegen den Willen seines Bruders gedreht hatte, landeten so in seinem eigenen Filmprojekt. IM FRÜHLING bildet sowohl ein Pendant als auch eine Antithese zu Vertovs bekannterem Film. In Bonn zeigen wir IM FRÜHLING als 35mm-Kopie einer Rekonstruktion des Eye Filmmuseums in Amsterdam aus dem Jahr 1999. Diese Kopie enthält auch Material, das seinerzeit von der sowjetischen Zensurbehörde aus dem Film geschnitten wurde.
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Mittwoch, 16. August 2023, 21 Uhr: TWO TARS (DICK UND DOOF AUF HEIMATURLAUB); James Parrott, USA, 1928
Live-Musik: Richard Siedhoff (Flügel)
Stan Laurel und Oliver Hardy spielen in diesem Klassiker zwei Matrosen auf Landurlaub. Mit ihrem Mietauto machen sie die Straßen unsicher. Unterwegs treffen sie vor einem Lebensmittelgeschäft auf zwei Damen. Ollie, der die Damen beeindrucken will, versucht mit Gewalt, Kaugummi aus einem scheinbar defekten Automaten herauszubekommen. Dies gelingt ihm, indem er den Automaten aus Versehen zerstört – sehr zum Ärger des Ladenbesitzers. Später geraten die zwei Matrosen und ihre Mitfahrerinnen in einen durch Bauarbeiten verursachten Stau. Schnell kommt es zum ersten Zusammenstoß mit einem anderen Auto, der die Ouvertüre einer veritablen Sinfonie der Fahrzeugzerstörerei markiert.
TWO TARS, der über die Jahre eine ganze Reihe alternativer Titel im deutschen Sprachraum erhalten hat (DIE AUTOKATASTROPHE, ZWEI MATROSEN, DAS ZERLEGEN VON KRAFTWAGEN, u.a.), genießt den Ruf, eine der besten der stummen Kurzfilm-Komödien von und mit Stan Laurel und Oliver Hardy zu sein. Der Film ist ein Paradebeispiel für die grandios choreographierte »wechselseitige Zerstörung« (»reciprocal destruction«, wie Stan Laurel es selbst nannte), die zum zentralen Element mehrerer Laurel und Hardy-Filme wurde. Auch wenn die Qualität der verfügbaren Kopien manches zu wünschen übrig lässt, strahlt die komödiantische Genialität trotzdem durch.
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Mittwoch, 16. August 2023, im Anschluss: KIRE LAINED (WELLEN DER LEIDENSCHAFT); Wladimir Gaidarow, Estland / Deutschland, 1930
Live-Musik: Neil Brand (Flügel)
Rex Ronney unternimmt eine Schiffsreise nach Estland, um Material für sein neues Buch über Alkoholschmuggler im estnisch-finnischen Grenzgebiet zu sammeln. (In Finnland galt seit 1919 absolutes Alkoholverbot). Ronney gelingt es, in den inneren Vertrauenskreis des Sprit-Königs Jaan Kõlgis zu gelangen, den er auf der Schiffsreise kennenlernt. Kõlgis schickt Ronney zum Schmuggler Bratt, der bei Kõlgis widerwilligen Spießgesellen Mart Martens arbeitet. Dieser schuldet Kõlgis Geld und ist nur deshalb ins Schmuggelgeschäft geraten. Außerdem hat er eine Tochter, Betty, zu der sich Rex hingezogen fühlt. Ein sommerlicher Ostsee-Abenteuerfilm, der auch eine gehörige Portion Liebesgeschichte beinhaltet.
Originalschauplätze an der estnischen Küste und der Hauptstadt Tallinn bilden die Kulisse dieses international besetzten Schmuggler-Dramas. Im Mittelpunkt stehen die osteuropäischen Filmstars Ita Rina und Wladimir Gaidarow. Der in Poltava (heute in der Ukraine) geborene Gaidarow, der den Helden Rex Ronney spielt, gab mit dieser deutsch- estnischen Koproduktion auch sein Regiedebüt. Die slowenische Schauspielerin Ita Rina, die die Rolle der Betty verkörpert, ist vor allem für ihren Auftritt im tschechischen Stummfilmklassiker EROTIKON (EROTIK, 1929) bekannt. Entstanden in der Übergangszeit vom Stumm- zum Tonfilm kam WELLEN DER LEIDENSCHAFT in manchen Ländern – so auch Deutschland – mit synchronisierter Orchestermusik auf Schellackplatten in die Kinos. Nach der Wiederentdeckung einiger der Schellackplatten in Dänemark, hat das Estnische Filmarchiv sowohl die stumme als auch (zumindest in Teilen) die tönende Fassung digital restauriert. Die digital restaurierte stumme Fassung des Estnischen Filmarchivs erlebt in Bonn ihre Erstaufführung am Mittwoch, den 16. August, und wird begleitet von Neil Brand am Flügel.
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Donnerstag, 17. August 2023, 21 Uhr: TRAGÖDIE EINER URAUFFÜHRUNG; O. F. Mauer, Deutschland, 1926
Live-Musik: Neil Brand (Flügel)
Fräulein Schröder arbeitet in der sogenannten Kleberei – modern übersetzt: in der Schnittabteilung einer Filmkopieranstalt, wo sie tagtäglich einzelne Filmstreifen zu kompletten Filmen zusammenklebt. Ihre Zeit verbringt sie aber lieber mit Kreuzworträtseln und romantischen Tagträumereien. Da erhält sie von ihrem Vorgesetzten die dringende Aufgabe, die Kopie eines großen Revuefilms rechtzeitig zur Premiere am selben Abend vorzubereiten. Blitzschnell macht sich Fräulein Schröder ans Werk und Punkt 6 Uhr abends ist die fertige Kopie im Kino. »Geschafft!,« denkt sich die Filmkleberin. Nur ist ihr in der Eile nicht aufgefallen, dass sie falsches Filmmaterial in die Kopie eingebaut hat. Als sich der Vorhang im Kinosaal öffnet, wird ihr – und uns Zuschauer:innen – das Ergebnis ihres Fauxpas vor Augen geführt.
Mit seinem Film DIE TRAGÖDIE EINER URAUFFÜHRUNG, dessen überlieferte Kopie den alternativen Titel WENN DIE FILMKLEBERIN GEBUMMELT HAT… trägt, wirft der heute völlig vergessene Regisseur und Drehbuchautor O.F. Mauer einen humorvollen Blick in die Welt des (analogen) Filmemachens. Der Film-im-Film ist eine Persiflage des Avantgarde- Kinos, das damals schwer in Mode war. In der heutigen Zeit, in der Produktion und Rezeption von Filmen überwiegend digital sind, bildet TRAGÖDIE EINER URAUFFÜHRUNG ein kostbares Zeitdokument aus der analogen Filmvergangenheit. Umso passender ist es daher, dass wir diesen Film bei den Stummfilmtagen als analoge 35mm-Filmkopie zeigen.
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Donnerstag, 17. August 2023, 21.30 Uhr: REVOLUTIONSHOCHZEIT; A. W. Sandberg, Deutschland, 1929
Live-Musik: Richard Siedhoff (Flügel) & Mykyta Sierov (Oboe)
Paris im Jahr 1793, mitten in der französischen Revolution: Um den letzten Wunsch ihres verstorbenen Vaters zu erfüllen, hat sich die Komtesse Alaine de l’Estelle mit dem adligen Erneste de Tressailles verlobt. Erneste kämpft als sogenannter Emigrantenoffizier in der österreichischen Armee gegen die Republikaner. Als Erneste in der Nähe von Alaines Schloss Trionville stationiert wird, besucht er sie, um schnell zu heiraten. Doch da dringt eine republikanische Armee unter Führung des kaltherzigen Bürgerkommissars Montaloup ins Schloss ein und verhaftet Erneste. Als Emigrantenoffizier und Volksfeind wird er zum Tode verurteilt. Um Erneste zu retten, bittet Alaine den gutmütigen republikanischen Oberleutnant Marc-Arron um Hilfe…
Dieses visuell opulente und hochkarätig besetzte Revolutionsdrama zeigt, mit welcher Raffinesse ein »bloßer Unterhaltungsfilm« Ende der 1920er Jahre hergestellt werden konnte. Das zugrundeliegende Bühnenstück des populären dänischen Schriftstellers Sophus Michaëlis wurde zuvor bereits viermal in Dänemark und Deutschland verfilmt. Diese letzte stumme Bearbeitung fürs Kino ist eine Meisterleistung internationaler Zusammenarbeit: ein dänischer Regisseur setzte im Auftrag einer deutschen Produktionsfirma ein dänisches Stück mit französischem Inhalt in Szene; das klein-aber- feine Ensemble bestand aus dem Schweden Gösta Eckman, der Italienerin Diomira Jacobini, dem Österreicher Fritz Kortner und der Dänin Karina Bell. Ein Paradebeispiel für die Internationalität der Filmproduktion und der Filmgeschichte – und des Filmerbes, denn die 35mm-Kopie, die wir in Bonn zeigen, stammt aus dem Dänischen Filminstitut in Kopenhagen.
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Freitag, 18. August 2023, 21 Uhr: CAFÈ ELEKTRIC; Gustav Ucicky, Österreich, 1927
Live-Musik: Daan van den Huurk (Flügel) & Mykyta Sierov (Oboe)
Die zwielichtigen Gestalten der dunklen Halbwelt Wiens kommen abends im Café Elektric zusammen. Zu den Stammgästen gehören unter anderem der Kleinkriminelle und Schürzenjäger Ferdl, der skrupellos Frauen das Geld aus der Tasche zieht, sowie die unglückselige Prostituierte Hansi. Während Ferdl sich im Café Elektric wie zuhause fühlt, träumt Hansi von einem besseren Leben. Da lernt sie den gutherzigen Bauingenieur Max Stöger kennen, mit dessen Hilfe sie das kriminelle Milieu des Café Elektric verlässt. Sie heiraten und es scheint, als könne Hansis Traum in Erfüllung gehen. Als das Paar allerdings in finanzielle Not gerät, droht Hansi die Rückkehr in die Halbwelt.
Durch die vielfache photochemische Umkopierung ging der ursprüngliche Glanz dieses stilvoll inszenierten Kriminal- und Aufklärungsfilms verloren. Dieser Glanz konnte aber durch die digitale Restaurierung des Filmarchivs Austria nun wieder zurückgewonnen werden. Unter den Hauptdarsteller:innen befinden sich die späteren Großstars und Publikumslieblinge Marlene Dietrich und Willi Forst in ihren ersten wichtigen Filmrollen. Die Außenaufnahmen wurden teilweise in den Straßen und Gassen Wiens gedreht. Nicht durch Zufall hat die österreichische Hauptstadt in der Filmgeschichte immer wieder als Kulisse für düstere Kriminalfilme und Thriller gedient – von G.W. Pabsts DIE FREUDLOSE GASSE (1925) bis Nicholas Roegs BLACK OUT – ANATOMIE EINER LEIDENSCHAFT (1981). Gustav Ucicky war unehelicher Sohn des Malers Gustav Klimt und arbeitete als Kameramann u.a. an mehreren österreichischen Produktionen von Michael Kertész (dem späteren Hollywood- Regisseur Michael Curtiz), bevor er sich 1927 die Filmregie zuwandte. Für seine Filmarbeiten in der NS-Zeit wird er kritisch gesehen.
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Freitag, 18. August 2023: PAN SI DONG (DIE HÖHLE DER SPINNENFRAU); Dan Duyu, China, 1927
Live-Musik: Richard Siedhoff (Flügel) & Frank Bockius (Schlagzeug, Percussion)
Der buddhistische Pilgermönch Tang Hiuen Tsiang begibt sich zusammen mit drei Gefährten auf die Suche nach heiligen Schriften in der Westlichen Welt. Als er auf der Reise um Almosen bettelt, trifft er auf sechs bezaubernde junge Frauen, die ihn in ihre Höhle einladen. Dort herrscht die Spinnenkönigin, die alles versucht, um Tang zu verführen und zur Heirat zu bewegen. Ein Entkommen scheint undenkbar. Doch in der Zwischenzeit kämpfen seine Gefährten gegen die Spinnenschwestern, um ihren heiligen Mönch zu befreien…
DIE HÖHLE DER SPINNENFRAUEN basiert auf Motiven des Romans »Die Reise nach Westen«, einem mehrfach verfilmten Klassiker der chinesischen Literatur aus dem 16. Jahrhundert. Der Film ist ein frühes Beispiel des magisch-geistigen Films (»the magic-spirit film«) – ein Genre, das in den späten 1920er Jahren in Schanghai sehr beliebt war und von dem nur sehr wenige Beispiele erhalten sind. So galt auch DIE HÖHLE DER SPINNENFRAUEN jahrzehntelang als verschollen, bis der Film 2011 in der Nationalbibliothek Norwegens wiederentdeckt wurde. Er ist der einzige Film der Shanghai Photoplay Company, der heute noch existiert. Gezeigt wird die restaurierte 35mm-Kopie der Norwegischen Nationalbibliothek, die Zwischentitel in chinesischer und norwegischer Sprache enthält.
Nach ihrem ersten Auftritt als Duo bei den Stummfilmtagen im vergangenen Jahr, freuen wir uns, Richard Siedhoff (Flügel) und Frank Bockius (Schlagzeug) für die musikalische Begleitung am Samstag, den 19. August, erneut zusammenzubringen.
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Samstag, 19. August 2023, 21 Uhr: Fûun jôshi (SCHLOSS AUS WIND UND WOLKEN); Toko Yamazaki, Japan, 1928
Live-Musik: Stephen Horne (Flügel, Flöte, Akkordeon) & Frank Bockius (Schlagzeug, Percussion)
Als Shinhachi nach drei Jahren Dienst in der Hauptstadt nach Hause zurückkehrt, ist der Samurai-Clan bedroht, es gibt einen Aufstand und seine Verlobte Chigusa ist mittlerweile die Geisha des Fürsten. Fortan steht Shinhachi im Verdacht, aus Rache einen Verrat am Oberhaupt des Clans begangen zu haben, obwohl er loyal bis zur Selbstaufopferung ist und allen Aufforderungen des intriganten Sannosuke widersteht. Am Ende setzt sich politisch das Gute durch, doch die Liebenden kommen nicht zusammen… Ein Epochendrama, das Verrat und Verschwörung innerhalb eines Samurai-Clans mit atemberaubenden Naturbildern, kunstvoll choreografierten Kampfszenen und einer tragischen Liebesgeschichte vereint. Mit der Figur des einsamen Samurai nimmt SCHLOSS AUS WIND UND WOLKEN viele Motive späterer Samuraifilm-Klassiker (und ihre Western-Remakes) vorweg.
Von SCHLOSS AUS WIND UND WOLKEN hat nur eine einzige Kopie im Bestand der Cinémathèque Royale de Belgique überlebt. Gezeigt wird in Bonn eine neue digitale Restaurierung der Cinémathèque aus dem Jahr 2017, die die viragierten Bilder nun wieder strahlen lässt.
Samstag, 19. August 2023, 22.30 Uhr: DAS WIEGENLIED. Arpàd Szomor; Max Mack, Deutschland, 1915
Live-Musik: Elizabeth-Jane Baldry (Harfe) & Mykyta Sierov (Oboe)
Ein Drama, in dem eine Violine und Musik eine entscheidende Rolle spielen: Die Welt des berühmten und vielgeliebten Violinisten Árpád Szomory und dessen Familie verändert sich radikal, als Szomory seine Frau und Tochter betrügt und die Familie in Folge auseinanderbricht. 18 Jahre später nimmt das Schicksal erneut eine Wendung – der verarmte Vater, nun Straßenmusiker, und die selbst Violine spielende Tochter finden wieder zusammen.
DAS WIEGENLIED, auch unter dem Titel ÁRPÁD SZOMORY erschienen, stammt vom Regisseur Max Mack. Der Film enthält deutliche Bezüge zu aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen und Themen des modernen Lebens (zum Beispiel die Rolle der alleinerziehenden Mutter und das Thema der Scheidung), die sich an vielen Stellen in Macks Werk finden lassen. Zwei Jahre zuvor hatte der Regisseur, der in seiner Karriere auch als Schauspieler, Drehbuchautor und Produzent tätig war, mit DER ANDERE einen Film geschaffen, der als erster deutscher Autorenfilm und als Vorläufer der späteren expressionistischen Filme bezeichnet wird. Obwohl Mack als Pionier gilt und zu den produktivsten deutschen Filmemachern der 1910er Jahre zählt, bleibt er heute eine eher enigmatische Figur der Filmgeschichte, was nicht zuletzt an der Überlieferung und Verfügbarkeit seiner Filme liegt. Nun hat das DFF – Deutsches Filminstitut & Filmmuseum Macks Film DAS WIEGENLIED anhand der einzigen überlieferten Nitrokopie restauriert, die im Archiv des EYE Filmmuseums aufbewahrt wird. Damit ist ein weiteres Werk dieses wichtigen deutschen Filmregisseurs wieder zugänglich. Die restaurierte Fassung erlebt bei den Stummfilmtagen ihre Weltpremiere.
Sonntag, 20. August 2023, 11 Uhr, Studio 5 in der Brotfabrik, Familienkonzert: Slapstick, Streichmusik und Spaß. Filme mit Buster Keaton und Laurel & Hardy
Live-Musik und Moderation: Paul Rittel (Cello). Eine Veranstaltung für Jung und Alt in deutscher Sprache. Freier Eintritt.
Sonntag, 20. August 2023, 14 Uhr, Kino in der Brotfabrik: Italia. Il Fuoco, la cenere (Italia. Feuer und Asche); Céline Gailleurd, Olivier Bohler, Frankreich/Italien, 2021
In den ersten Jahrzehnten der Filmgeschichte, in den Zeiten vor dem Faschismus, war Italien unter den Produktionsländern Europas federführend. Filme wie L’INFERNO (1911) oder CABIRIA (1914) waren für ihre Zeit bahnbrechend und spielten eine entscheidende Rolle in der künstlerischen und technischen Entwicklung des Mediums Film. Mit ihrem essayistischen Dokumentarfilm führen die französischen Filmemacher:innen Céline Gailleurd und Olivier Bohler die Zuschauer:innen auf eine Entdeckungsreise in die italienische (Stumm-)Filmgeschichte. Zitate von Zeitzeuge (darunter Luigi Pirandello, Salvador Dalí, Antonio Gramsci, Ricciotto Canudo und Federico Fellini) kontrapunktieren die Ausschnitte aus einer Vielzahl italienischer Stummfilme, die in italienischen und internationalen Filmarchiven überliefert sind. Eine mit viel Leidenschaft gestaltete persönliche Lobeshymne auf die Filme, die Filmschaffenden und die Stars des italienischen Stummfilmkinos, die mit ihrem »Best of«-Charakter einen idealen Einstieg und/oder einen genussreichen Auffrischer in das Thema bietet.
Sonntag, 20. August 2023, 21 Uhr: Meren kasvojen edessä (Vor dem Antlitz des Meeres); Teuvo Puro, Finnland, 1926
Live-Musik: Elizabeth-Jane Baldry (Harfe) & Stephen Horne (Flügel, Flöte, Akkordeon)
VOR DEM ANTLITZ DES MEERES startet als leichter Sommerfilm: Die drei Freunde Kristoffer, Pentti und Lassi verbringen Mitsommer segelnd und unbeschwert auf dem Meer. Doch langsam verbindet – und wandelt – sich die Sommerleichtigkeit in ein mysteriöses, unheimliches Drama. Ein seltsames Boot taucht auf und auf einer abgelegenen Insel treffen die drei Studenten auf Henrika. Angetan von der jungen Frau entscheidet sich Kristoffer, den Rest des Sommers auf der Insel zu verbringen. Dort scheint etwas Seltsames vor sich zu gehen und am Ende lüftet er ein mysteriöses, gruseliges Geheimnis…
VOR DEM ANTLITZ DES MEERES entstand in Zusammenarbeit des Regisseurs Teuvo Puro und des in Berlin geborenen Kameramanns Kurt Jäger. Letzterer trägt mit seinen prachtvollen atmosphärischen Wasserbildern und malerischen Großaufnahmen besonders zum Gelingen des Films bei. Puro und Jäger leiteten in den 1920er-Jahren zusammen das finnische Filmstudio Komedia-Filmi. Das Drehbuch Puros basierte auf einem Roman des finnischen Autors Arvid Mörne, welcher mehrfach für den Nobelpreis in Literatur nominiert war. Bei der digitalen Restaurierung des Films 2013 durch das Nationale Audiovisuelle Archiv Finnlands (KAVI) konnte unter Zuhilfenahme der Romanvorlage die Handlung wieder in die richtige Reihenfolge gebracht werden.