Filmreihe II: 20 Jahre Filmverleih Rapid Eye Movies – das Auge Japans
Filmgeschichte wird selten als eine Geschichte von Filmverleihen geschrieben. Und doch sind es diese, die wesentlich darüber entscheiden, welche Filme in einem Land in die Kinos kommen – und damit überhaupt wahrgenommen werden können. Der Köln-Bonner Verleih Rapid Eye Movies, der vor 20 Jahren gegründet wurde, hatte sich von Anfang an zur Aufgabe gemacht, „filmisches Neuland [zu] betreten“ (so Geschäftsführer Stephan Holl). Der Schwerpunkt lag dabei auf asiatischem und nicht zuletzt japanischem Kino, dessen Produktionen es gerade im deutschen Kino damals wie heute schwer haben. Neben Animes, Animationsfilmen für ein vorwiegend erwachsenes Publikum, wie Ghost in the Shell standen meist genreorientierte, zum Teil recht gewaltbetonte Werke von Regisseuren wie Takashi Miike, Takeshi Kitano, Johnnie To und Kim Ki-duk im Mittelpunkt des Verleihprogramms, bevor Bollywoodfilme zu einem weiteren wichtigen Standbein wurden. Mit seiner klaren Verleihpolitik entwickelte sich rem sehr schnell zu einem bei Filmkennern profilierten Label, dem es mehr als einmal gelang, unkonventionellen asiatischen Meisterregisseuren auch in Deutschland ein Publikum zu erschließen. Mit vier Filmen der japanischen Regisseure Kitano und Miike, die deren kreative Bandbreite vom Genrefilm zu einem eher experimentellen Erzählen zeigen, illustriert die kleine Hommage die Innovationsfreude und Exzessivität, die viele der von rem präsentierten asiatischen Filme charakterisieren: „Pictures coming to eat you“, wie der etwas unheimliche Slogan des Verleihs verheißt.
Montag, 12.12.2016 20.30 Uhr

IZO (IZO) Japan 2004 / R: Takashi Miike / B: Shigenori Takechi / K: Nobuyuki Fukazawa / M: Kōji Endō, Kazuki Tomokawa / D: Kazuya Nakayama, Kaori Momoi, Ryūhei Matsuda, Ryōsuke Miki, Takeshi Kitano / F: 35 mm, Farbe / L: 128 Min.
Ist IZO eine sinnlose Gewaltorgie oder eine philosophische Reflexion über Gewalt? Wenn schon in Miikes früheren Filmen Handlungslogik und Wahrscheinlichkeit immer wieder lustvoll durchbrochen wurden, verzichtet IZO weitgehend auf eine stringente Erzählung. Vielmehr reiht er Kampfszenen aneinander, die bald in der Vergangenheit, bald in der Gegenwart, an realen oder fiktiven Orten spielen und in deren Mittelpunkt der Samurai und Mörder Izo Okada steht, der, als eine Art unsterblicher Dämon der Gewalt und des Hasses reinkarniert, die verschiedensten Gegner mit dem Schwert niedermetzelt. Dieser Handlungsstrang, in dem auch Takeshi Kitano einen Auftritt hat, verbindet sich mit Collagen historischen Filmmaterials, Songs des japanischen Acid-Folk-Musikers Kazuki Tomokawa und Monologen zu einem anspielungs- und symbolreichen Experimentalfilm.
Montag, 12.9.2016 20.30 Uhr

Sonatine (Sonachine) Japan 1993 / R, B: Takeshi Kitano / K: Katsumi Yanagijima / M: Joe Hisaishi / D: Takeshi Kitano, Aya Kokumai, Tetsu Watanabe, Masanobu Katsumura / F: 35 mm, Farbe / L: 94 Min.
Murakawa ist ein Yakuza, bösartig und zu jeder Schandtat fähig. Sein Boss Kitajima und dessen rechte Hand Takahashi beordern ihn mit einigen seiner Gefolgsleute nach Okinawa, damit er dort einer befreundeten Yakuza-Familie in einer Fehde beisteht. Kaum sind sie angekommen, versucht man auch schon, sie umzubringen. Mit seinen verbliebenen Mitstreitern flüchtet Murakawa an einen abgelegenen Strand, wo sich die Yakuza mit bizarren Spielchen die Zeit vertreiben. Der perfekte Yakuza, der perfekte Verrat und die schönsten Strandaufnahmen, die in einem japanischen Gangsterfilm zu sehen sind: Der Film Sonatine, der ohne Drehbuch gedreht worden war, lief 1993 in Cannes in der innovativen Festivalsektion Un certain regard und erhielt dort ein großartiges Presseecho. Mit ihm hat sich Kitano, der die japanischen Regielegenden Ozu und Kurosawa als seine Vorbilder erwähnt, selbst in den Olymp gespielt.
Montag, 10.10.2016 20.30 Uhr

Dolls (Dōruzu) Japan 2002 / R, B: Takeshi Kitano / K: Katsumi Yanagijima / M: Joe Hisaishi / Kostümdesign: Yohji Yamamoto / D: Miho Kanno, Hidetoshi Nishijima, Tatsuya Mihashi, Chieko Matsubara, Kyoko Fukada, Tsutomu Takeshige / F: 35 mm, Farbe / L: 114 Min.
In seinem Film Dolls zeichnet der japanische Meisterregisseur Takeshi Kitano, unterstützt von den außergewöhnlichen Kostümen des Modedesigners Yohji Yamamoto, einen Bilderreigen, der drei romantische Tragödien, die von ewiger Liebe erzählen, miteinander verknüpft. „Ihm gelingt es, eine Geschichte von großer Präzision zu erzählen, er entlockt den Bildern von Kirschblüte, Ahornblättern und verschneiter Landschaft eben keine Poesie, sondern Klarheit, und seinem Sujet, der vergeblichen Liebe, trotzt er keine Dramatisierung ab, sondern Ruhe“ (Cristina Nord, taz). Kitanos Filme sind spätestens seit Sonatine auch im Westen bekannt als außergewöhnliche Gratwanderungen zwischen exzessiven Gewaltausbrüchen und außerordentlich sensiblen Bildkompositionen. Diese Sensibilität, die zweifellos auch mit Kitanos paralleler Karriere als Maler in Zusammenhang gebracht werden kann, kommt in kaum einem seiner Filme so zum Ausdruck wie in Dolls.
Montag, 14.11.2016 20.30 Uhr

Audition (Ōdishon) Japan 1999 / R: Takashi Miike / B: Daisuke Tengan nach dem gleichnamigen Roman von Ryū Murakami / K: Hideo Yamamoto / M: Kōji Endō / D: Ryo Ishibashi, Eihi Shiina, Tetsu Sawaki, Jun Kunimura, Renji Ishibashi, Miyuki Matsuda / F: 35 mm, Farbe / L: 115 Min.
Mit Audition erlangte 2000 ein japanischer Regisseur internationale Aufmerksamkeit, der in den folgenden Jahren das Image eines der vielleicht weltweit unkonventionellsten, gewalttätigsten, jedenfalls aber produktivsten Filmemacher aufbauen konnte: Takashi Miike drehte in dieser Zeit jährlich 4 bis 5 Filme der verschiedensten Genres. Der Thriller Audition ist eines seiner klassischsten Werke, das den Vergleich mit einem Hitchcock nicht zu scheuen braucht, in seinem Verlauf aber eine alptraumhafte, geradezu körperlich unangenehme Intensität entwickelt. Ist die schöne Asami, die der Witwer Aoyama bei dem titelgebenden Casting kennengelernt hat und zu der er sich unwiderstehlich hingezogen fühlt, ein sanftes Mädchen mit tragischer Vergangenheit oder eine sadistische Mörderin? In seiner eleganten Verfilmung eines Romans von Ryū Murakami verbindet Miike eine intelligente Reflexion über Geschlechterrollen mit Horrormotiven in einer verstörend zwischen Realität und Alptraum changierenden Inszenierung.